Eine verhaltensbedingte Kündigung liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wegen eines steuerbaren Fehlverhaltens kündigt. Das bedeutet: Der Arbeitnehmer hat gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen, obwohl er sein Verhalten hätte ändern oder unterlassen können.
Wichtig: Eine verhaltensbedingte Kündigung ist kein Automatismus bei einem Fehlverhalten. Sie ist nur unter bestimmten, strengen Voraussetzungen zulässig, die vom Arbeitgeber sorgfältig dargelegt und geprüft werden müssen.
Wann darf der Arbeitgeber verhaltensbedingt kündigen?
Das Kündigungsschutzgesetz (§ 1 Abs. 2 KSchG) verlangt, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt sein muss. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung bedeutet das: Das Fehlverhalten muss so schwerwiegend sein, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müssen dafür vier Voraussetzungen erfüllt sein:
1. Pflichtverletzung des Arbeitnehmers
Es muss eine vertragliche Haupt- oder Nebenpflicht verletzt worden sein. Zu den typischen Pflichten eines Arbeitnehmers gehören:
- Arbeitsleistungspflicht (z. B. unentschuldigtes Fehlen, Arbeitsverweigerung)
- Treuepflicht (z. B. illoyales Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber)
- Verhaltenspflichten im Betrieb (z. B. Beleidigungen, Störung des Betriebsfriedens)
- Pflicht zur Rücksichtnahme (z. B. Verstöße gegen das Alkohol- oder Rauchverbot)
Beispiele:
- Wiederholtes Zuspätkommen
- Beleidigung von Vorgesetzten oder Kollegen
- Eigenmächtiger Urlaubsantritt
- Arbeitsverweigerung
- Alkoholmissbrauch am Arbeitsplatz
- Diebstahl (auch geringwertiger Sachen)
Wichtig: Die Pflichtverletzung muss schuldhaft sein – d. h. vorsätzlich oder fahrlässig. Reine Missverständnisse oder Versehen ohne Schuld reichen nicht aus.
2. Erhebliche Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses
Das Fehlverhalten muss so schwer wiegen, dass das Vertrauen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nachhaltig gestört ist. Die Beeinträchtigung kann sich auf folgende Aspekte beziehen:
- Störung des Vertrauensverhältnisses
- Gefährdung der betrieblichen Ordnung
- Wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber
Ein einmaliger Pflichtverstoß kann ausnahmsweise ausreichen, wenn er besonders gravierend ist (z. B. bei Straftaten im Betrieb). In vielen Fällen ist aber die Wiederholung von Fehlverhalten entscheidend.
3. Abmahnung als „Warnschuss“
Eine verhaltensbedingte Kündigung ist in der Regel erst dann zulässig, wenn der Arbeitgeber zuvor eine Abmahnung ausgesprochen hat. Die Abmahnung erfüllt zwei Funktionen:
1. Hinweisfunktion: Der Arbeitnehmer wird auf sein Fehlverhalten aufmerksam gemacht.
2. Warnfunktion: Der Arbeitnehmer wird ausdrücklich gewarnt, dass im Wiederholungsfall die Kündigung droht.
Ohne vorherige Abmahnung ist eine verhaltensbedingte Kündigung in den meisten Fällen unwirksam.
Ausnahmen: Bei besonders schwerwiegenden Verstößen (z. B. Diebstahl, Körperverletzung, grobe Beleidigung) kann eine Kündigung auch ohne Abmahnung gerechtfertigt sein, weil das Vertrauensverhältnis bereits durch den ersten Vertragspflichtenverstoß endgültig zerstört ist.
4. Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers
Am Ende muss eine sogenannte Interessenabwägung erfolgen: Ist es dem Arbeitgeber zumutbar, das Arbeitsverhältnis trotz des Fehlverhaltens weiterzuführen?
Dabei werden berücksichtigt:
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Alter des Arbeitnehmers
- bisheriges Verhalten und mögliche Wiederholungsgefahr
- Schwere des Pflichtverstoßes
- wirtschaftliche oder betriebliche Folgen des Fehlverhaltens
Beispiel: Ein langjähriger, bisher unauffälliger Mitarbeiter, der sich einmal im Ton vergriffen hat, darf nicht einfach fristlos entlassen werden. Dagegen kann ein Mitarbeiter, der mehrfach unentschuldigt fehlt, auch bei kürzerer Betriebszugehörigkeit wirksam gekündigt werden.
Fristlose oder ordentliche Kündigung?
Eine verhaltensbedingte Kündigung kann fristlos (außerordentlich) oder ordentlich (mit Kündigungsfrist) erfolgen.
- Ordentliche Kündigung: Erfolgt unter Einhaltung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist.
- Fristlose Kündigung: Nur bei besonders schweren Verstößen, bei denen es dem Arbeitgeber sofort unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis weiterzuführen (§ 626 BGB).
- Sie muss innerhalb von 2 Wochen nach Kenntnis des Kündigungsgrunds erklärt werden.
Was tun bei einer verhaltensbedingten Kündigung?
Wenn Sie eine verhaltensbedingte Kündigung erhalten haben:
- Bleiben Sie ruhig. Eine Kündigung ist nicht automatisch wirksam – sie kann gerichtlich überprüft werden.
- Klären Sie die Fristen. Sie haben nur 3 Wochen Zeit, um beim Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage zu erheben (§ 4 KSchG). Danach ist die Kündigung in der Regel nicht mehr angreifbar.
- Prüfen Sie die Abmahnungen. Gab es eine Abmahnung? War diese korrekt formuliert? Gab es vielleicht mehrere? Waren die Vorwürfe berechtigt?
- Lassen Sie sich rechtlich beraten.
Je nach Fallkonstellation kann das Arbeitsgericht die Kündigung für unwirksam erklären – oder es kann ein Vergleich mit Abfindung erzielt werden.
Besonderer Schutz für bestimmte Arbeitnehmer
Auch bei verhaltensbedingten Kündigungen gelten für bestimmte Gruppen besondere Kündigungsschutzregeln, z. B.:
- Schwangere (§ 17 Mutterschutzgesetz)
- Schwerbehinderte (Zustimmung des Integrationsamts erforderlich, § 168 SGB IX)
- Betriebsratsmitglieder (§ 15 KSchG)
Für diese Personen gelten erhöhte Anforderungen, und die Kündigung ist oft nur mit Zustimmung einer Behörde oder gar nicht möglich.
Fazit: Was Sie mitnehmen sollten
Eine verhaltensbedingte Kündigung ist nur bei schuldhaftem Fehlverhalten zulässig.
- In der Regel ist eine Abmahnung erforderlich, bevor gekündigt werden darf.
- Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist.
- Sie haben nur 3 Wochen Zeit, um gegen die Kündigung rechtlich vorzugehen.
- Eine anwaltliche Prüfung lohnt sich, da viele Kündigungen vor Gericht scheitern oder in eine günstige Einigung münden.