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Betriebsbedingte Kündigung: Was bedeutet das?

Eine betriebsbedingte Kündigung ist eine Kündigung, die nicht wegen eines Fehlverhaltens des Arbeitnehmers (verhaltensbedingt) oder wegen persönlicher Gründe (personenbedingt) ausgesprochen wird, sondern wegen dringender betrieblicher Erfordernisse. Das heißt: Der Arbeitsplatz fällt weg – nicht weil der Arbeitnehmer etwas falsch gemacht hat, sondern weil der Arbeitgeber aus wirtschaftlichen oder organisatorischen Gründen nicht mehr die Möglichkeit sieht, den Arbeitsplatz weiter zu erhalten.

Wann ist eine betriebsbedingte Kündigung zulässig?

Damit eine betriebsbedingte Kündigung wirksam ist, müssen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vier Voraussetzungen erfüllt sein:


1. Es müssen dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen


Das bedeutet: Es muss einen konkreten betrieblichen Grund geben, der zur Folge hat, dass der Arbeitsplatz dauerhaft entfällt. Solche Gründe können sein:

  • Innerbetriebliche Ursachen:
  • Rationalisierungsmaßnahmen
  • Umstrukturierungen
  • Schließung von Abteilungen
  • Einführung neuer Technik (z. B. Digitalisierung)
  • Outsourcing (Auslagerung von Tätigkeiten)

Außerbetriebliche Ursachen:

  • Umsatzrückgänge
  • Auftragsmangel
  • Veränderung der Marktlage
  • Wirtschaftliche Schwierigkeiten


Wichtig: Der Arbeitgeber darf die Entscheidung nicht willkürlich treffen. Die Maßnahme muss nachvollziehbar und unternehmerisch begründet sein. Das Gericht prüft nicht, ob die Maßnahme wirtschaftlich sinnvoll ist – aber es prüft, ob sie tatsächlich erfolgt ist und den Wegfall des Arbeitsplatzes rechtfertigt.

 

2. Der Arbeitsplatz muss durch die Maßnahme tatsächlich (zukünftig) entfallen

Es reicht nicht aus, dass der Arbeitgeber sagt, er müsse „sparen“. Es muss konkret dargelegt werden, dass genau der Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers dauerhaft wegfällt – und nicht nur vorrübergehend oder abstrakt. Beispiele:
• Eine Abteilung wird komplett geschlossen → alle Arbeitsplätze dort entfallen.
• Zwei ähnliche Tätigkeiten werden zusammengelegt → einer der beiden Arbeitsplätze entfällt.
• Die Aufgabe wird in Zukunft von einer Maschine oder durch einen externen Dienstleister übernommen.
Entscheidend: Der Arbeitgeber muss belegen, dass kein Weiterbeschäftigungsbedarf für den konkreten Arbeitsplatz mehr besteht.

3. Es darf keine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung im Betrieb geben


Bevor gekündigt wird, muss der Arbeitgeber prüfen, ob der Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann – und zwar auch zu veränderten, aber zumutbaren Bedingungen. Dazu gehören:

  • andere Tätigkeiten (auch mit geringerer Qualifikation),
  • Tätigkeiten mit geänderten Arbeitszeiten,
  • ggf. auch Tätigkeiten mit geringerem Entgelt (wenn zumutbar).


Beispiel: Fällt der Arbeitsplatz eines Lageristen weg, muss der Arbeitgeber prüfen, ob es andere freie Stellen im Betrieb gibt – etwa als Versandhelfer, Fahrer oder in der Kommissionierung. Nur wenn kein geeigneter freier Arbeitsplatz vorhanden ist, ist eine Kündigung zulässig.

4. Es muss eine korrekte Sozialauswahl stattfinden (§ 1 Abs. 3 KSchG)


Wenn mehrere vergleichbare Arbeitnehmer betroffen sein könnten, muss der Arbeitgeber unter ihnen eine sogenannte Sozialauswahl treffen. Das bedeutet: Er muss denjenigen kündigen, der sozial am wenigsten schutzwürdig ist. Dabei sind folgende Kriterien zu berücksichtigen:

  1. Dauer der Betriebszugehörigkeit
  2. Lebensalter
  3. Unterhaltspflichten (z. B. Kinder, Ehepartner)
  4. Schwerbehinderung


Beispiel: Ein 55-jähriger Familienvater mit 25 Jahren Betriebszugehörigkeit darf in der Regel nicht vor einem ledigen 28-jährigen Kollegen mit 3 Jahren Betriebszugehörigkeit gekündigt werden – wenn beide vergleichbar tätig sind.
Achtung: Die Sozialauswahl betrifft nur vergleichbare Arbeitnehmer auf ähnlichen Positionen. Nicht verglichen werden z. B. kaufmännische und technische Mitarbeiter oder Führungskräfte und Angestellte ohne Leitungsfunktion.
Ausnahme: Der Arbeitgeber darf einzelne Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl herausnehmen, wenn sie unverzichtbar für den Betrieb sind (sogenannte Leistungsträgerklausel). Das muss aber gut begründet werden.

Form und Frist der Kündigung

 

  • Die Kündigung muss schriftlich erfolgen (§ 623 BGB).
  • Es gelten die gesetzlichen, vertraglichen oder tariflichen Kündigungsfristen.
  • Eine fristlose Kündigung ist bei betriebsbedingten Gründen nicht zulässig.
  • Wenn der Betrieb mehr als 10 Vollzeitarbeitnehmer beschäftigt und das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate besteht, greift der allgemeine Kündigungsschutz nach dem KSchG.



Sonderfall: Massenentlassung


Wenn der Arbeitgeber eine größere Zahl an Arbeitnehmern entlassen will (je nach Betriebsgröße ab 5–30 Personen), muss er dies vorab der Agentur für Arbeit melden (§ 17 KSchG). Wird diese Anzeige unterlassen, sind die Kündigungen formell unwirksam.

Was ist mit einer Abfindung?

Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung, außer:

  • Es wurde eine Abfindung ausdrücklich im Kündigungsschreiben angeboten (§ 1a KSchG) und der Arbeitnehmer verzichtet auf eine Kündigungsschutzklage.
  • Es wird eine Abfindung im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens vereinbart (z. B. per Vergleich).
  • Ein Tarifvertrag, Sozialplan oder Interessenausgleich sieht eine Abfindung vor.


Tipp: In vielen Fällen lässt sich mit anwaltlicher Unterstützung eine Abfindung durch Verhandlung erreichen, selbst wenn kein Anspruch besteht.

Was tun, wenn Sie eine betriebsbedingte Kündigung erhalten haben?

  1. Nicht vorschnell unterschreiben!
    Unterschreiben Sie kein Aufhebungsvertrag oder Vergleich ohne rechtliche Prüfung.
  2. Frist für Kündigungsschutzklage beachten!
    Sie haben nur 3 Wochen Zeit, um Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einzureichen (§ 4 KSchG). Danach ist die Kündigung in der Regel wirksam – auch wenn sie rechtswidrig war.
  3. Lassen Sie prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind:

    Gab es tatsächlich einen Wegfall des Arbeitsplatzes?
    Wurden Sie korrekt in die Sozialauswahl einbezogen?
    Hätte es eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gegeben?

  4. Sichern Sie Ihre Ansprüche bei der Agentur für Arbeit:

Melden Sie sich rechtzeitig arbeitssuchend, sonst droht eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld.

Besonderer Schutz für bestimmte Arbeitnehmergruppen
 
Auch bei betriebsbedingten Kündigungen gilt: Einige Personen dürfen nur unter besonders strengen Bedingungen gekündigt werden, z. B.:

  • Schwerbehinderte (Zustimmung des Integrationsamts erforderlich)
  • Schwangere und Mütter im Mutterschutz (§ 17 MuSchG)
  • Eltern in Elternzeit (§ 18 BEEG)
  • Betriebsratsmitglieder (§ 15 KSchG)

Fazit: Ihre Rechte bei betriebsbedingter Kündigung

  • Der Arbeitgeber muss klar und nachvollziehbar darlegen, warum Ihr Arbeitsplatz entfällt.
  • Er darf nur kündigen, wenn es keine anderweitige Einsatzmöglichkeit für Sie gibt.
  • Es muss eine korrekte Sozialauswahl durchgeführt werden.
  • Sie können sich wehren: Mit einer Kündigungsschutzklage innerhalb von 3 Wochen.
  • Sie können oft eine Abfindung erzielen, selbst wenn kein gesetzlicher Anspruch besteht.

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