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BAG fragt EuGH: Müssen Arbeitgeber Urlaub aktiv gewähren?

EuGH-Vorlage zum Verfall von Urlaubsansprüchen. Das BAG legt dem EuGH die Frage vor, ob Arbeitgeber verpflichtet sind, Arbeitnehmern von sich aus Urlaub zu gewähren.

BAG Beschl. v. 13.12.2016 – 9 AZR 541/15 (A)

Vorinstanz:

LAG München – 8 Sa 982/14
BUrlG § 7 Abs. 1 u. 3; Arbeitszeitrichtlinie 2003/88 EG Art. 7 Abs. 1; GRC Art. 31 Abs. 2; AEUV Art. 267

ArbRB 2017, 4

Der gesetzliche Mindesturlaub muss nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Liegt keiner der Übertragungsgründe des § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG vor, verfällt er. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG hat ein Arbeitgeber bei Verfall nur dann Schadensersatz zu leisten, wenn er mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug geraten ist. Verzug erfordert aber eine Mahnung durch den Arbeitnehmer. Das heißt der Arbeitnehmer muss seinen Urlaubsanspruch eigeninitativ geltend machen. Den Urlaubszeitraum muss er dabei aber nicht festlegen.

Insbesondere unter Berufung auf Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88 EG haben nunmehr drei LAG diese Rechtsprechung des BAG für nicht mehr anwendbar erklärt. Ein Inverzugsetzen durch den Arbeitnehmer sei nicht erforderlich. Der Arbeitgeber sei umgekehrt verpflichtet, den Urlaubsanspruch von sich aus zu gewähren

Die Entscheidung des Gerichts

Wohl auch vor diesem Hintergrund hat der 9. Senat nunmehr dem EuGH die Frage vorgelegt, ob Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG oder Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der EU (GRC) der bisherigen Rechtsprechung des 9. Senats entgegensteht. Falls die Frage bejaht wird, hat der 9. Senat weiterhin die Frage vorgelegt, ob dies auch dann gilt, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen Privatpersonen besteht.

Aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 12.6.2014 (EuGH, Urt. v. 12.6.2014 – Rs. C-118/13 – „Bolacke“) ist damit zu rechnen, dass der EuGH die bisherige BAG-Rechtsprechung für europarechtswidrig einstufen wird. Daher sollten Arbeitgeber bereits jetzt dazu übergehen, ihren Arbeitnehmern offenen Jahresurlaub eigeninitiativ zu gewähren.

Hinweis: Ein Schadensersatzanspruch scheidet immer dann aus, wenn der Arbeitgeber den Verfall des Urlaubs nicht zu vertreten hat. Fraglich wäre in diesem Fall, welche Anstrengungen dem Arbeitgeber obliegen (Hinweis, Vorschlag oder einseitige Festlegung?). Da sich die Arbeitszeitrichtlinie nur auf den gesetzlichen Mindestanspruch bezieht, ist dies ein weiterer Grund, arbeitsvertraglich zwischen diesem und dem vertraglich Mehrurlaub zu unterscheiden.

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